Slanted 18 – Signage/Orientation

Interview mit Moniteurs

Lars Harm­sen: Könnt ihr uns ein paar Din­ge be­züg­lich eu­rer Grund­kon­zep­ti­on er­läu­tern, die be­sagt, dass Leit­sys­te­me eine Iden­ti­tät, ei­nen Cha­rak­ter ha­ben und nicht ein to­ta­les Neu­trum sein dür­fen?

Mo­ni­teurs: Egal wie ein Leit­sys­tem ge­stal­tet ist, es trägt Iden­ti­tät mit sich. Heu­te be­sitzt man die Mög­lich­keit be­wusst zu ge­stal­ten – das muss man auch! Es ist nicht wie da­mals in den 70ern: Da wur­den ein­fach alle Schil­der gelb ge­macht. Heu­te ist es so, dass man viel mehr dif­fe­ren­zie­ren kann und die Flug­hä­fen müs­sen das auch, weil sie in ei­nem ganz an­de­ren Wett­be­werb ste­hen, sich pro­fi­lie­ren müs­sen, um Air­lines rin­gen und um Pas­sa­gie­re.

In­ter­view
von Lars Harm­sen
mit Si­byl­le Schlaich und Hei­ke Nehl, Mo­ni­teurs

Er­schie­nen
2012
Slan­ted 18 Si­gna­ge / Ori­en­ta­ti­on
Fo­tos (Flug­ha­fen Ber­lin Bran­den­burg) Joa­chim Brohm

Auffällig ist, dass man sich meist nicht richtig an Flughäfen erinnern kann. Dass Flughäfen oft so sind wie Hotelzimmer – uniform und gleich aussehend. Würdet ihr diese Aussage unterstützen? Habt ihr euch zur Aufgabe gemacht, an dem Defizit der Individualität zu arbeiten?

Ja. Das Faszinierende ist, dass man die Architektur von einigen Flughäfen kennt – aber eben nur aus den Medien. Selten nimmt man diese Flughäfen wirklich wahr. Man betritt ein Gate und kommt in einem anderen wieder raus. Wir denken, dass die Flughäfen weltweit immer mehr an Individualität gewinnen – in Indien beispielsweise stehen im Terminal Elefanten- und Buddha-Statuen. Wir denken, dass nicht nur in der Architektur, sondern auch im Leitsystem versucht wird, Flughäfen ein Gesicht zu geben. Beispielsweise der Flughafen Lleida in Katalanien: Die Innenarchitektur dieses Flughafens bringt eine ganz andere, neue, eigene Stimmung auf.

Bei eurer Konzeption des Flughafens Berlin-Brandenburg haben sich Leitsystem und Architektur »vermählt«. Wie entsteht so etwas?

Zum einen war es gut, dass wir schon bei der Gestaltung des Buches eingebunden waren mit dem sich gmp Architekten und JSK Architekten ursprünglich für das Bauvorhaben beworben haben. Somit konnten wir das Konzept grafisch schnell umsetzen, denn Themen wie Farbe und Schriftwahl waren bereits behandelt. Das Buch hatten wir in der Frutiger gesetzt, uns war aber schon früh bewusst, dass es für das Leitsystem auf etwas anderes hinauslaufen sollte. Wir sind also von Anfang an mit dem Konzept konfrontiert worden. Der erste konkrete Schritt bei dem Leitsystem war eigentlich der, dass wir mit den Architekt:innen zusammen Orte diskutiert haben, wo dann diese spezifischen Informationen später platziert werden sollten.

Auf Fotografien des Flughafens hat man das Gefühl, als ob es architektonische Raster gibt in Bezug auf die Oberflächen. Richtig beobachtet?

Es gibt ein architektonisches Raster, indem sowohl wir uns bewegt haben, als auch die Architekt:innen. Es erleichtert uns, durchgängige Horizonte einzuhalten, so muss das Auge nicht dauernd springen. Zudem gibt es funktional festgelegte Höhen, die folgendermaßen entstehen: Man setzt kein in den Raum ragendes Schild tiefer als 2,60 m, weil sich sonst nachher jemand den Kopf stößt.

Wie begegnet ihr den Corporate-Zwängen eines Flughafens, beispielsweise was Billig-Airlines mit grausamen Farben und Leuchtschriften angeht?

Wir sind in Bereichen, in denen diese angesiedelt sind, großflächig geworden. Zum einen, um Flächen mit Information zu belegen und zum anderen auch, um gegen die Werbung immer noch präsent zu sein.

Habt ihr die Umsetzung schon gesehen?

Ja, wir sind laufend am Flughafen zur Qualitätskontrolle. Es läuft gerade der Probebetrieb, das bedeutet für uns kritische Stellen überprüfen und nacharbeiten.

Wie organisiert man so ein Projekt? Und wusstet ihr, dass es über sieben Jahre dauern wird?

Von Anfang an geplant, bis ins Detail! (Lachen) Nein, wir sind ja nicht vor 7 Jahren beauftragt worden, bis zur Eröffnung dieses Leitsystems zu planen und zu gestalten. Es gab immer kleine Schritte, in denen man vorwärts gegangen ist. Am Anfang stand das Gestaltungshandbuch. Dies war ein klar umrissenes Manual und damit ist die Weiterarbeit stetig gewachsen, bis zu dem Punkt, dass wir nicht nur für die Architekt:innen, sondern auch für den Flughafen direkt Aufgaben übernommen haben. Das waren zum Beispiel die unterschiedlichen Leitsysteme im Außenbereich für die Fußgänger:innen und Radfahrer:innen, die Autofahrer:innen oder die Parkhäuser zu koordinieren, damit die Schnittstellen klar sind und Informationen gut von einem Leitsystem zum anderen übergeben werden. Wir haben uns nicht vor sieben Jahren organisiert und haben festgelegt, wer wann an dem Projekt arbeitet, es ist mit der Zeit entstanden. Da wir dieses Projekt mit den Architekt:innen – den König:innen der Organisation – gemacht haben, waren wir automatisch in deren Organisationsprogramme eingebunden. Die Architekten und Architektinnen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, organisieren sich über internetbasierte Planmanagement- und Verwaltungs-Softwares, die zum Teil schon in der Ausschreibung vorgegeben sind, das ist auch wie ein großer Blog, ein Instrument zum Abbilden von Prüfprozessen, zur effektiven Abwicklung und Dokumentation, das Vieles erleichtert.

Das bedeutet, ihr musstet das lernen?

Ja, denn es hat eine große Rolle gespielt. Was wir auch erst lernen mussten, war, dass Veränderungen zum Prozess dazu gehören und ganz normal sind. Man darf nicht denken, dass es furchtbar ist, wenn etwas umgeplant wird. Während der ganzen Planungsphase ist der Flughafen gewachsen, es kamen neue Bereiche dazu und Dinge wurden umgeplant.

Das bedeutet, für Architekt:innen ist es ganz normal, in so einem großen Projekt Dinge umzuschmeißen das ist für Designer:innen eher ungewohnt?

Ja, man muss umdenken. Sich schnell auf die neuen Gegebenheiten einstellen und wieder das Beste daraus machen. Meist hat ja alles einen rationalen Grund. Der große Unterschied sind die Dimensionen in denen im Vergleich zum Grafik-Design gedacht wird, da heißt es dann ruhig bleiben und weiterplanen. Man muss jeden einzelnen Schritt nacheinander zusammen gehen, um auch zusammen am Ende anzukommen.

Geht man von sich selbst aus, wenn man ein Leitsystem gestaltet und fragt sich zum Beispiel wie man selbst den Weg zur Toilette finden würde?

Natürlich. Wie gesagt, im Moment läuft der Probebetrieb. Die entscheidende Frage ist nun: Überbeschilderung oder minimal Variante – dieses Ermessen hängt nun von einzelnen Proband:innen des Flughafens ab. Wir vertreten nach wie vor die Meinung, lieber klare und einfache Beschilderung als alle Eventualitäten abzudecken.

Wozu führt Überbeschilderung?

Dass man vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sieht. Wir haben versucht die Beschilderung so angenehm aber auch so deutlich wie möglich zu gestalten. Auch die Architekt:innen haben an den Stellen, an denen Passagiere in Berührung mit dem Gebäude kommen, es so gestaltet, dass diese Berührungspunkte warme Oberflächen haben und so die Passagiere Willkommen heißen. Wir haben jedenfalls versucht, ein gutes Maß zu finden.

Wie viele Schilder sind es insgesamt, die ihr verwendet habt?

Ca. 3000 Stück.

Wie konzipiert man die Reihenfolgen von Schildern?

Wir haben das sehr grafisch aufgefasst und diese Abfolgen immer wieder zusammen gesetzt, um dann von Schritt zu Schritt zu überprüfen, ob es eine Informationskette ist, die durchgängig ist. Es entstanden also keine Einzelschilder, sondern es wurde immer als ein Ganzes gesehen und konzipiert. Ein einfaches Beispiel beschreibt diesen Aufbau der Kette: Am Anfang liegt das Interesse des Passagiers an den Informationen zu Check-In und Abflug, danach dann die Frage nach dem gezielten Gate und hier beginnt der Übergang von grober zu feiner Orientierung. In Berlin funktioniert dieses System, indem die vier Gatesbereiche mit vier Buchstaben gekennzeichnet sind, welche man auf der Boarding Card dann wieder findet. Ob Gate A,B,C oder D – das interessiert mich bei Check-In noch nicht und so muss man entscheiden, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt eingeführt werden. Am Anfang ist also die Hauptrichtung wichtig und am Ende ist z. B. die exakte Gate-Nummer wichtig und diese haben wir dann größer gemacht oder anders gewichtet. Die Kategorie »komplex empfundene Situationen« gab es auch; einen U-Turn, wenn man aus der U-Bahn kommt, um zum Flughafen zu gelangen. Es gibt also absolut unproblematische Situationen – Positionierung des Inhaltes, fertig – und Situationen, die wirklich sehr komplex sind.

Haben sich während des Prozesses Faustregeln entwickelt?

Eine der wenigen Faustregeln ist beispielsweise, dass es immer nur einen Weg gibt, der zum Ziel führt. Aber auch diese Faustregel wurde einmal gebrochen. Pauschalisieren kann man das eigentlich nicht. Außerdem haben wir klar unterschieden zwischen primären und sekundären Informationen. Die Primärinformationen stehen auf roten Flächen und Sekundärinformationen stehen auf grauen Fläche und sind häufig in Form von Piktogrammen dargestellt. Für das Auge wird somit eine bessere Orientierung geschaffen. Mit den Piktogrammen beschäftigt man sich ein wenig länger, da sie etwas kleinteiliger sind. Wichtige Informationen sind also leicht zu erkennen und aufschlussreich, auch wenn man panisch unter Zeitmangel den Weg zum Gate sucht, findet man ihn. Wir haben uns auch für verschiedene Schriftgrößen und Schriftschnitte entschieden, da das Auge diese besser differenzieren kann. Wir haben also nicht alles gleich groß gesetzte, wie es z.B. in der Schweizer Grafik üblich und am Züricher Flughafen zu sehen ist. Eine doppelte Differenzierung ist auch durch die Tonwertoptimierung entstanden. Diese Methode bringt Differenzierungsmöglichkeiten ohne bunt zu werden. Rot sollte die klare Leitfarbe sein, differenziert wird also mit Tonwerten (feinen Linien) Größen und Schriftschnitten. Früher war es undenkbar, so viele Linien zu plotten. Aber durch den heutigen Digitaldruck ist so einfach möglich. Noch nicht viele Flughäfen arbeiten mit digital gedruckten Leitsystemen.

Was musstet ihr nach dem Testbetrieb am Flughafen ändern lassen?

Die Information in den Treppenhäusern wird im Moment aufgestockt. Die Passagiere sollen nicht stehen bleiben, um sich umzusehen. Sie müssen im Treppenhaus im Fluß bleiben, hier gibt es aber noch einige unklare Abzweige, daran arbeiten wir gerade. Es hängen zur Zeit zum Teil verkleinerte DIN A3 Schilder an der Wand, die eigentlich später drei bis viermal so groß sein sollten und trotzdem mussten die Test-Passagiere ihre Wege finden. Dies ist nicht ganz repräsentativ, nicht wie es später im Raum aussehen wird. Wenn man es aber im Testbetrieb schafft, dann ist es, wenn es fertig ist, hoffentlich unmöglich, nicht zum Ziel zu gelangen.

Würdet ihr sagen, dass das Projekt eher
Verwaltung und Politik ist als Gestaltung?


Ist Gestaltung nicht Verwaltung von Elementen? Dieses Gigantische ist schon etwas Tolles und da gehören verschiedene Dinge dazu. Man kann es Verwaltung nennen, aber es ist eher Informations- und Kommunikationsdesign. Nicht nur sichtbares Design wurde gestaltet, oft haben wir Gestaltungs/Informationsvarianten aufbereitet, aufgrund derer die Entscheidung in Gremien leichter fiel. Wir haben also sozusagen visuelle Entscheidungshilfe geleistet – mit Informationsdesign.

Wie sieht das Außengelände aus?

Das Leitsystem hört nicht an der Fassade auf. Der Flughafen hat z.B. eigens gestaltete, rote Straßenschilder und nicht die profanen, weißen Schilder der Stadt Berlin übernommen. Die Straßennamen sind in der Schrift des Flughafens gesetzt und sind von uns formal so gestaltet, dass sie in das System passen.

Wo führt das hin, wenn jeder seine eigenen Straßenschilder entwirft und jedes Siemens-Gelände eigene Schilder entwerfen lässt?

Für den Hauptstadtflughafen ist das angemessen. Natürlich gibt es Flughäfen, die sagen, dass sie so etwas nicht machen, aber bei uns fängt der Flughafen schon nach der Autobahnabfahrt an und das zeigen wir damit. Die Airport City gehört auch dazu und so wird das Areal als ganzes wahrgenommen. Außerdem gibt es noch den Aspekt, dass eine andere Wahrnehmung ausgelöst wird durch die veränderte Umgebung; vielleicht fühlt man sich sogar sicherer. Auch bei den Schildern war es ein Prozess. Es gibt natürlich bestimmte Vorgaben und Normen für Verkehrsschider, die einzuhalten sind. Unser erster Entwurf zeigte weiße Schrift auf rotem Grund. Dieser wurde nicht genehmigt, da es Richtlinien für den Weißanteil auf Verkehrsschildern gibt. Die Lösung waren also farbige Flächen auf weißem Grund.

Gibt es außerdem Besonderheiten?

Wir haben das Grundkonzept für die Übersichtspläne gemacht, ausgearbeitet und zum Teil werden diese jetzt von den einzelnen Abteilungen weiter detailliert. Es gibt eine flache und eine axonometrische Darstellung der verschiedenen Ebenen.

Wenn ihr für einen anderen Flughafen beauftragt werden würdet, ist es nicht so, dass man eigentlich dann dort leben müsste?

Ja, für bestimmte Phasen muss man schon ziemlich präsent sein. Das war wahrscheinlich mit ein Grund, warum wir den Job für den Berliner Flughafen bekommen haben, da wir unser Büro vor Ort haben. Die ersten Jahre haben wir nur mit Plänen gearbeitet, erst später in der Endphase, ca. zwei oder drei Jahre davor, fängt man an, auf die Baustelle zu fahren.

Die nächsten großen Flughafen-Projekte entstehen wahrscheinlich in China oder?

Ja, dann machen wir eben ein kleines Büro in China auf. (Lachen)

Noch etwas Resümierendes für den Abschluss?

Es war echt genial und hat super viel Spaß gemacht. Wir sind wirklich happy mit dem Projekt. Vor allem, weil es so lange andauerte. Es ist hochinteressant ein Projekt dieser Größenordnung über Jahre zu begleiten. Es war zu jedem Zeitpunkt spannend. Man wächst immer mehr mit dem Projekt und den Projektpartner:innen zusammen, die man kennenlernt und baut Vertrauen auf.